Prinz Eugen von Savoyen im historischen Festzug zu Ingolstadt
Henricus
und Gertrudis Trost sind die zwei ersten Ingolstädter
Menschenkinder, die in einem Schriftstück Erwähnung finden. Die
Aufzeichnung stammt aus dem Jahr 1254 und wurde von den Ingolstädter
Stadtoberen des Jahres 2000 prompt als Anlass genommen, den 750.
Geburtstag ihrer Stadt in einem Millenniumsjahr zu feiern. Krönender
Höhepunkt einer langen Reihe diesem Ereignis gewidmeter
Kulturveranstaltungen war am 23. Juli ein historischer Festzug mit
2820 Teilnehmern, die in epochalen Gewändern, Uniformen und
Rüstungen die Geschichte Ingolstadts Revue passieren ließen.
Neben
dem gemeinen Volk gaben sich da eine stattliche Anzahl von
kriegserprobten Feldherren und gelehrigen Professoren ein ebenso
farbenfrohes wie informatives Stelldichein. Natürlich ist ohne die
holde Weiblichkeit ein solcher Festzug weder sinnlich noch
geschichtsgetreu. Daher ritt auch schon einer der ersten
Repräsentanten des Adels, Herzog Stephan der Kneißl (ca.
1337 – 1413) in Begleitung seiner Gemahlin Thaddäa Visconti
über das Kopfsteinpflaster und den Asphalt der angeblich von 90.000
Menschen gesäumten Straßen der Altstadt. Herzog Ludwig der
Bayer, die wunderschöne Isabeau de Baviere (spätere
Königin von Frankreich an der Seite Karls VI.), Dr. Johannes
Eck, Kaiser Karl V., der Mathematiker, Physiker, Astronom
und Jesuit Christoph Scheiner, General Johann Graf von
Tilly, der Komponist Johann Simon Mayr, selbst seine
kaiserliche Hoheit Napoleon Bonaparte und viele andere, alles
Persönlichkeiten, die in irgendeiner Weise dem Namen Ingolstadt zu
Ruhm und Ehre verholfen haben, erwiesen dem Doyen der bayerischen
CSU-Stadtoberhäupter, OB Peter Schnell, und dem aus der
Landeshauptstadt München angereisten Wissenschaftsminister Hans
Zehetmair ihre Reverenz.
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Prinz Eugen von Savoyen beim Festzug in Ingolstadt Fotos: Anton Potche |
In
den Mittagsstunden des 13. August 1704 gab Herzog John Churchill
of Marlborough auf dem Schlachtfeld bei Höchstädt an der Donau
seiner wahrlich internationalen Heerschar (52.000 Kaiserliche,
Preußen, Dänen, Engländer und Holländer) den Befehl zum Angriff
auf die verbündeten Franzosen und Bayern, die unter der nicht
besonders gut funktionierenden Befehlsteilung des französischen
Marschalls Tallard und des bayrischen Kurfürsten Max
Emanuell standen. Auf den Flügeln griffen Prinz Eugen von
Savoyen und Generalleutnant Lord Cutts an. Gekämpft wurde
um das spanische Erbe. Als sich um 8 Uhr abends die letzten 27
Bataillone und 13 Eskadronen Franzosen im Dorfe Blindheim ergeben
hatten, war eine der blutigsten Schlachten des achtzehnten
Jahrhunderts entschieden: 10.600 Tote und 14.600 Verwundete, so Kurt
von Priesdorff in seinem 1940 erschienenen Buch über Prinz
Eugen, waren die schreckliche Bilanz dieses Tages. Die
Kaiserlichen und ihre Alliierten hatten einen für Bayern und ganz
Süddeutschland folgenschweren Sieg errungen. Max Emanuel
begab sich ins französische Exil, und die Kaiserlichen führten in
Bayern ein schonungsloses Besatzungsregiment mit Einquartierungen,
Zwangsrekrutierungen für die kaiserlichen Truppen und Zwangsabgaben.
In München führte das zu der berühmten Sendlinger Bauernschlacht
mit dem sprichwörtlichen gewordenen Bekenntnis: „Hie lieber
bayerisch sterben als kaiserlich verderben.“
Auf
Ingolstadt wirkte sich allerdings Prinz Eugens sowohl
strategisches Denken als auch seine als Hofkriegspräsident (seit
1703) verordneten und daher politisch zu bewertenden
Verwaltungsanweisungen eher positiv aus; wenngleich sie auch in der
Praxis wahrscheinlich nie so zum Tragen kamen. Bereits im Juli 1704
hatte der österreichische Feldherr auf eine Entscheidungsschlacht
gedrängt und steuerte so dem Zögern des kriegsmüden Markgrafen
Ludwig von Baden, der nach der Schlacht vom
Schellenberg bei Donauwörth (2. Juli 1704) mit 14.000 Mann
Ingolstadt belagerte, entgegen. Dadurch war die Gefahr gebannt, dass
größere kriegerische Auseinandersetzungen sich in diesem Raum
abspielen würden.
Nach
dem Sieg von Höchstädt hielt Prinz Eugen mit 4000
österreichischen Soldaten in Ingolstadt Einzug. Erst am 25. Januar
1715 verließen die letzten kaiserlichen Truppen Ingolstadt. Es kam
aber zu keinen nennenswerten Auseinandersetzungen zwischen den
Einheimischen und den Besatzungstruppen. Das könnte einer hier
verlassenen Anordnung Prinz Eugens zu verdanken gewesen sein.
Darin hieß es unmissverständlich: „Man wird die Studenten, wenn
sie sich friedlich aufführen, gerne ihre Privilegien genießen
lassen. Daß die Bürger den Soldaten keinen guten Willen erzeigen,
dazu sind sie nicht gehalten und ist sich deshalb über sie nicht zu
beklagen. Die Offiziere, auch die Feldmarschälle, sollen keine freie
Hand haben, noch in dem geringsten sich in die Geldsachen oder das
Kontributionswesen zu mischen. Wenn ihnen zur Last falle, sich nur
einen Heller mehr, als ihnen gebühren, angeeignet zu haben, so werde
ich wissen, was zu tun sei.“ (Heinrich Kretschmayr: Prinz Eugen
– Briefe, Berichte und Stimmen; Albert Langen / Georg Müller
Verlag, München, 1940).
Es
ist nicht überliefert, was den Prinzen in Ingolstadt so milde
gestimmt hat. Vielleicht war es auch das Bier, das seit 1516 nach dem
von Herzog Wilhelm IV. von Bayern in eben dieser Stadt
erlassenen Bayerischen Reinheitsgebot gebraut wird. (Der Erlass
dieses ältesten Lebensmittelgesetzes der Welt wurde natürlich auch
im historischen Festzug gebührend gewürdigt.)
Prinz
Eugen selbst hielt sich anno 1704 nicht lange in Ingolstadt auf.
Die Geschichte rief ihre Jünger ans Tagwerk, und der einst vom
Sonnenkönig geächteten Savoyer, dessen Mutter eine Nichte des
berüchtigten Kardinals Mazarin war, zog süd- und ostwärts,
um neue Gemarkungen für seine habsburgischen Kaiser zu erobern. So
stand er eines Tages auch vor Temeswar, und die Siedlungsgeschichte
der Banater Schwaben konnte beginnen.
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Flucht und Vertreibung |
So
fanden sie sich als Teil der europäischen Geschichte wieder und
zogen in einem langen Zeitmarsch am Nordufer
ihres Schicksalsstromes, der Donau, stromaufwärts der Ingolstädter
Altstadt zu, so wie sie einst das Schicksal herausfordernd
stromabwärts zogen: der wegbereitende Feldherr und die in ihrem
Wappen symbolisierte Gemeinschaft der Banater Schwaben.
Anton
Potche
aus BANATER POST, München, 20. August 2000
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