Dienstag, 10. Oktober 2017

Ein Oberbürgermeister mit Banater Wurzeln

Von einer schwäbischen Begegnung in Neuburg an der Donau
Der Hangar war zu einer Festhalle umfunktioniert. Weißblaue Tischdecken bedeckten die im Halboval vor der geräumigen Bühne angeordneten Tische. Die Silhouette Neuburgs an der Donau gab im regenbogenfarbigen Scheinwerferlicht ein imposantes Bühnenbild ab. Langsam belebten sich die Tischreihen: vorne die Generäle und Offiziere a.D. und die Mitglieder des Kommandostabes mit ihren Damen sowie die Ehrengäste; im Hintergrund – aber nur räumlich – die vielen ehemaligen und jetzigen Aktiven des Jagdgeschwaders. Das 11. Mölders-Treffen konnte beginnen.
Ich saß im Orchester ohne große Erwartungen. Was folgen wird, ist immer das Gleiche: Begrüßungen und Ansprachen, hoffentlich nicht allzu lange. Der Kommodore stieg in die zum Rednerpult umgebaute Cockpitklappe. Er begrüßte und begrüßte und … ich hatte plötzlich einen Halt, an dem ich mich geistig emporziehen konnte. Das schleichende Dösen war wie weggeblasen. Ich beobachtete – eher instinktiv, vorerst ohne konkreten Hintergedanken – den Mann, den der Geschwaderführer eben herzlich willkommen geheißen hatte, den Oberbürgermeister der Stadt Neuburg a. d. Donau, Hans-Günter Huniar.
Hans-Günter Huniar
Foto: haju (NEUBURGER RUNDSCHAU)
Der Mann im mittleren Alter, mit hoher Stirn und Brille unterhielt sich mit seinen Tischnachbarn. Schon bald sah ich ihn an einem anderen Platz. Dann verschwand er irgendwo zwischen den Tischreihen, tauchte wieder auf, schüttelte Hände, lachte, redete, hörte zu. Mein Gott, schoß es mir durch den Kopf, der wird doch nicht mit jedem einzelnen in dieser jetzt übervollen Halle ein Gespräch führen wollen. Meine anfangs teilnahmslosen Beobachtungen schlugen in Neugierde um, wusste ich doch, dass die Eltern des Neuburger Oberbürgermeisters Banater Schwaben sind. Wie wäre es, sich mit diesem Menschen mal zu unterhalten? Aber wie spricht man einen OB an, ohne ein zwingendes Problem zu haben? Hier schien das noch schwieriger als im Rathaus zu sein, denn hier war dieser Mann anscheinend viel mehr ein gewöhnlicher Bürger – oder wollte es sein – und nicht vordergründig OB. Er war ständig von Freunden und Bekannten oder auch von Interessenjägern umgeben.
Das Fest nahm seinen Lauf und die Uhrzeiger nahmen keine Rücksicht auf mein Zögern. Dann, es war schon nach 22 Uhr; der OB stand in einem Männerkreis an der Bar. Ich näherte mich unentschlossen, noch immer nach einem Ansprechgrund suchend. Der OB lachte, die Runde strahlte Heiterkeit aus. Dann sah er mich an. Reiner Zufall. Ich nutzte die Gelegenheit.
Grüß Gott, Herr Oberbürgermeister. Mein Name ist Potche, ein Banater Schwabe aus Ingolstadt.“
„Ach ja, Grüß Gott, Huniar.“
Ein Händedruck, dann eine kurze Wende zu der geselligen Gruppe, um sich zu entschuldigen, und schon durfte ich staunen.
Aber toll, do e Schwob zu treffe. Na des werr ich glei meiner Frau verzehle. Waaßt, ich sin jo do gebor, awwer ich kann schwowisch vun meine Eltre. Mei Vatter is aus Mariafeld un mei Mutter aus Albrechtsflor.“
Und das vernahm ich im reinsten „Schwowisch“, so als ob dieser Mann den größten Teil seines Lebens im Banat – dem Landstrich im fernen Südosteuropa, dem er sich verbunden fühlt, ohne ihn je betreten zu haben – verbracht hätte.
An Phingste fahr ich mit meim Cousin ins Banat“, erzählte er mir begeistert, ohne es allerdings wahr werden zu lassen, wie ich später erfuhr.
Die Pflicht, sie rief. Sie lässt einen engagierten Politiker wie Hans-Günter Huniar eben nicht nach dessen Lust und Laune reisen. Seit 1984 ist der gewesene Richter am Amtsgericht Neuburg Oberbürgermeister dieser Stadt mit ihren faszinierenden Renaissance-Giebeln. Und er regiert hier ohne Parteihausmacht. Die Neuburger Bürger scheinen ihr Vertrauen allerdings nicht ohne stichfeste Begründungen einem „Unabhängigen“ zu geben.
Wenn eine Zeitung in einer Zeit, in der Politiker- und Beamtenschelten Hochkonjunktur haben, mit den Schlagzeilen „Note eins für freundliche Behörde“ einen ausführlichen Bericht überschreibt, dann kann sie damit sogar Verdrossene aufrütteln. Wer wiederum den freundlichen Hans-Günter Huniar – der hot halt vun seim Vatter, unsrem schwowische Rentenfachmann Hans Huniar, e gutes Gemiet – kennt, wird sich nicht unbedingt gewundert haben, als er den Artikel zu lesen begann: „Das Personal der Neuburger Stadtverwaltung ist stets freundlich und fachlich versiert. Darauf zumindest lässt das Ergebnis einer Publikumsbefragung schließen.“ (DONAUKURIER, Nr. 178, Freitag, 4. August 1995)
So wie de Herr es Gscherr.“ In Neuburg an der Donau sind beide eine sehr angenehme Erscheinung: „de Herr“, ein parteiunabhängiger Politiker von Format, mit Charme und Kampfgeist, der das Persönliche stets hinter die Interessen seiner Bürger stellt; „es Gscherr“, eine architektonisch bezaubernde Stadt an der Donau, mit heimatverbundenen und zu Fremden stets aufgeschlossenen Bürgern.
Hans-Günter Huniar will weiter für die Neuburger Bürger im Amt bleiben. Er muss heuer gegen fünf Mitbewerber seinen OB-Sessel – den er bei seinem Temperament in den zurückliegenden zwölf Amtsjahren bestimmt nicht überstrapaziert hat – verteidigen. So will es unsere Demokratie. Und es ist gut so, denn Politik, wie wir sie im Banat erleben mussten, würde dem Bayer mit banatschwäbischen Wurzeln bestimmt nicht zum Guten gereichen.
Wenn unsere in Neuburg a. d. Donau wahlberechtigten Banater Schwaben ihr Kreuzchen hinter den Namen Hans-Günter Huniar setzen, dann werden sie bestimmt vielen ihrer Mitbürger und auch der in Neuburg aktiven Bürgergruppe DU (Die Unabhängigen / Freien Wähler Neuburg) aus dem Herzen sprechen. Letztere führt ihren Wahlkampf nämlich mit dem Aufruf „Weiter mit OB Huniar“.
Hans-Günter Huniar führt auch die Stadtratsliste und die Kreistagsliste (Landkreis Neuburg-Schrobenhausen) der DU an. Auf den Stimmzetteln für diese Gremien kann man seinem bevorzugten Kandidaten bis zu drei Stimmen geben. Somit können nicht nur unsere Landsleute aus Neuburg a. d. Donau Hans-Günter Huniar wählen, sondern auch jene aus dem Landkreis Neuburg-Schrobenhausen.
Leider kann ich Hans-Günter Huniar nicht auf einem der Stimmzettel begegnen. Auch diese Begegnung hätte mir bestimmt Freude bereitet. Die Banater Schwaben aus Neuburg und Umgebung haben diese Gelegenheit. Ich beneide sie dafür.

Anton Potche
aus BANATER POST, München, 20. Februar 1996

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