Dienstag, 11. April 2017

Verschollener „Gruß aus Jahrmarkt“

Viele Banater Schwaben wollten mit ihrer Aussiedlung, mehr oder weniger bewusst, einen Schlussstrich unter ihr Leben im Banat ziehen. Das schien vielen, ja wahrscheinlich sogar den meisten, auch gleich nach ihrer Ankunft in Deutschland gelungen zu sein. Eine Bilderbuchintegration hätten die Deutschen aus Rumänien in ihrer neuen Heimat vollzogen, hört man oft Politiker loben. Was dabei auf der Strecke blieb, waren die während der Aussiedlungsagonie und dem folgenden Integrationsrausch kaum vermissten kulturellen Werte, die man oft als plötzlich unbrauchbar, unbeachtet fallen ließ, obwohl sie bis dato den Kern der eigenen Identität bildeten. Dabei wurde so viel Ramsch in Kisten mitgeschleppt, der schon bald auf dem Sperrmüll der Konsumgesellschaft landete.
Der schnelle Integrationsprozeß führte bei den meisten Landsleuten aber auch zu einer Gemütsstabilisierung. Die innere Unruhe, das Verarbeiten des Neuen und das Gedeihen des individuellen Bodenständigkeitsgefühls wurden von jedem in kürzeren oder längeren Zeitspannen empfunden. Irgendwann war man dann wieder daheim. Genau dieses für jeden sowohl zeitlich als auch gefühlsmäßig anders gelagerte Irgendwann war der Augenblick, in dem die Erinnerung, als wertvolles Gut des Menschseins, wieder ihre Rechte einforderte.
 „Das war doch so und jenes so. Warst du damals dabei? Damals gab’s noch das und das andere ... Die hun doch mol in Johrmark e Dokumentarfilm gedreht ...“ Es war jene Zeit, in der es den Musikanten in Jahrmarkt tatsächlich gelungen war, den Maurern und Zimmerleuten dieser Banater Großgemeinde den Rang eines Imageträgers abzulaufen. Wer nun aber glaubt, dass der Film mit dem Titel eines Marsches von Peter Loris nur die Loris-Kapelle zeigt, der wird eines Besseren belehrt.
Der vom rumänischen staatlichen Alexandru Sahia-Studio im Jahre 1978 gedrehte und vom Jahrmarkter Geschichtslehrer Hans Speck in rumänischer Sprache kommentierte Dokumentarfilm Salutări din Giarmata (Gruß aus Jahrmarkt) gewährt einen Einblick in den Alltag der Banater Schwaben in ihrer angestammten Heimat. Und man höre und staune: Da ist es doch tatsächlich einigen pfiffigen Filmemachern gelungen, mittels Bild und trotz einer ideologisch überfrachteten Sprache, die Leistungen der Deutschen des Banats zu würdigen, ohne dabei den „geliebtesten Sohn des Volkes“ nur ein einziges Mal zu erwähnen.
Der Film ist zweifelsohne ein sehr wertvolles Dokument über den Lebensmut der Banater Schwaben zur Zeit der kommunistischen Diktatur. Josef Probst hat den geschichtsträchtigen Streifen gerettet. Daß er ihn als Allgemeingut der banatschwäbischen Gemeinschaft betrachtet, mag in der eingangs angedeuteten Wandlung zu suchen sein, die sich auch in ihm irgendwann vollzog.
Es soll ja nach Aussagen von Zeitzeugen eine noch ausführlichere deutsche Fassung dieses Filmes geben.

Anton Potche

aus BANATER POST, München, 11. Dezember 1995

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