Dienstag, 20. September 2016

Banater Blasmusik

Ein bemerkenswertes Konzert in Würzburg
Die rege Vereinstätigkeit findet auch in unzähligen Blasmusikkonzerten, die jahrein, jahraus in deutschen Landen veranstaltet werden, ihren Niederschlag. Sehr erfreulich. Das gilt nicht nur für die Initiative an sich, sondern auch für die oft lobenswerte Qualität der Darbietungen. Nur beim Repertoire, da versteht man oft die Welt nicht mehr. Märsche von Sousa, Gershwin-Melodien, südamerikanische Rhythmen, spanische Tänze, irgendwelche Beatles- und ABBA-Medleys sowie vieles andere mehr vom Globusrund sind schön; aber so schön, daß ihnen zuliebe Werke deutscher Komponisten viel zu wenig berücksichtigt werden, auch wiederum nicht. Und trotzdem hält dieser unerfreuliche Trend an.
Umso erfreulicher ist es, wenn Banater Musiker eigene, originelle Akzente setzen. Daß die Schwerpunkte eines Blasmusikkonzertes auch anders gelagert werden können und mit welchen Mitteln man eine adäquate, publikumsbezogene und allgemeinbildende Programmgestaltung erreicht, zeigten bei den 8. Kultur- und Heimattagen der Banater Schwaben in Würzburg am 8. Juli 36 aus dem rumänischen Teil des Banats stammende Musiker/innen in einem Konzert mit vielen künstlerischen Höhepunkten. Das von Mathias Loris dirigierte Blasorchester bot der Zuhörerschaft einen aufschlußreichen Streifzug durch die banater Blasmusikliteratur.
Der Eingangsmarsch Fanfare militaire von Josef Ascher (1829 -1869) kann als Hommage an die Militärmusik verstanden werden. Diese hatte sich nach der Jahrhundertwende positiv auf das Gedeihen der banater Dorfkapellen ausgewirkt.
Klassische Werke mit dominanten Bläsersätzen eignen sich besonders für Blasorchester. Allerdings sollte dieses dann auch auf einem hohen interpretativen Niveau stehen. Das Blasorchester der banater Musiker war ein solch homogener Klangkörper, obwohl es nur eine dreistündige Probe absolviert hatte. Das Orchester klang im lyrischen Teil der Ouvertüre zum Operetteneinakter Leichte Kavallerie von Franz von Suppé (1819 - 1895) einem mit Streichern bestückten symphonischen Orchester sehr ähnlich. Mitreißen konnte dann das bekannte Schlußthema in Marschform. Hier hätte eine stärkere (rein zahlenmäßig)  Flügelhorn- und Trompetenbesetzung bestimmt gutgetan.
Ein Einstieg in die authentische banater Blasmusikliteratur schaffte das Orchester bravourös mit Richard Bartzers (*1926) Konzertmarsch Zum Königstein. Mathias Loris, der für die Programmgestaltung zeichnete, dirigierte dann seine eigene Blasorchesterfassung des rumänischen Liedes Lino, Leano von Nicolae Ursu (1905 - 1969). Die eigenartige Harmonie dieses Werkes klang trotz einer nicht abzustreitenden Fremdheit dank der Blasorchesterbearbeitung irgendwie vertraut. Man wurde spontan an die großen "fanfare populare", wie sie im Ardeal und in der Moldau anzutreffen sind, erinnert. So und nicht anders vermittelt man Kultur über Grenzen hinweg. Als Bereicherung und nicht als Dominanz muß man Kulturgut anderer Landstriche präsentieren. Wie gut aber auch das deutsche Melodiegefühl in der banater Blasmusik zum Tragen kam, konnte man anschließend dem Konzertwalzer Du mein Banaterland von Nikolaus Maser (1920 - 1984) entnehmen. Daß Loris hier seine Erfahrung in die Partitur einbrachte, ohne allerdings die Themen des Werkes zu mißbrauchen, hat das Stück sicherlich aufgewertet. Der Leistungsnachweis des Komponisten wurde dadurch in keiner Weise geschmälert.
Deutsche Blasmusik erklingt nur noch selten in den banater Dörfern. Aber die "bleckmusic" wird von den Rumänen weiter gepflegt, wenn auch nicht mit der ethnologischen Bedeutung, die die Banater Schwaben ihrer Blasmusik beimaßen. Hier in Deutschland lebt die Blasmusik des Banaterlandes aber vor allem dank einiger Komponisten der mittleren Generation weiter. Franz Watz (*1949), Günther Friedmann (*1952) und Mathias Loris (*1951) sind nur drei Beispiele für die künstlerisch äußerst kreative Musikergeneration, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten aus dem Banat in die Bundesrepublik kam. Walzer und Polkas, aber auch ein Konzertstück (La Donna divina von Franz Watz) kamen von diesen Tondichtern zur Aufführung. Der böhmische Einfluß ist in ihren Werken nicht zu verkennen. Loris steht mit seinem Marsch Die Jahrmarkter Musikanten in der Tradition der K.u.k.-Militärmärsche.
Die Gesamtdarbietung dieses Konzertes war von der natürlichen Musikalität des Orchesters geprägt. Diese entsprang dem ungezwungenen Verhältnis, das die Musikerinnen und Musiker mit banater Vergangenheit, heute Musiklehrer, Bläser in Polizei- und Symphonieorchester oder Laien mit Musikausbildung und reger Musiktätigkeit, zur Blasmusik haben. Der Versuch, von Gagen verwöhnte Musiker zu einem altruistischen Engagement aus purer "Liebe zur Blasmusik" zu gewinnen, ist gelungen. Warum auch nicht? Chöre bereichern unser Leben schon seit Menschengedenken mit selbstloser Hingabe für die Kunst der Stimmeneintracht. Die banater Musiker haben einen neuen Weg in der Perzeption ihres Musikverständnisses beschritten. Wenn die organisatorischen Mängel dieses Konzertes, die die professionelle Einstellung der meisten Protagonisten zwar nicht beeinträchtigten, darum aber trotzdem nicht minimalisiert werden sollten, abgestellt werden können, dürfte es nicht bei dieser herrlich summenden Eintagsfliege bleiben.
Mark Jahr

aus DER DONAUSCHWABE, Aalen, 10. September 1995

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