Donnerstag, 2. Juni 2016

Ein unrühmliches Schauspiel

 Temeswar und Deutschlands diplomatische Vertretung
Die BANATER ZEITUNG, Beilage der ALLGEMEINEN DEUTSCHEN ZEITUNG FÜR RUMÄNIEN, veröffentlichte zum Jahreswechsel '94/95 die Antworten einiger im Banat bekannter Persönlichkeiten, unter ihnen auch die des Leiters der Außenstelle Temeswar der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Rumänien, Konsul Uwe Zorn. Herr Zorns Antwort auf die Frage nach dem Wie des vergangenen Jahres klang nicht gerade nach Friede, Freude, Eierkuchen: "Ich habe mich im ganzen Jahr hier sehr wohl gefühlt in Temeswar und ich genieße es immer noch, auch wenn die äußeren Umstände vielleicht dagegen sprechen." Eine wahrlich diplomatische Aussage, nimmt man diese "äußeren Umstände" genauer unter die Lupe.
In Temeswar tobt nun schon seit drei Jahren ein Streit um ein Gebäude auf dem Loga-Boulevard, in dem das deutsche Konsulat die Geschäftsräume für seine Außenstelle einrichten will. Wie wichtig eine Konsulatsaußenstelle für Temeswar ist, scheint zwar Herr Zorn zu wissen, nicht aber auch die Funktionäre des Temescher Generalschulinspektorats, das in diesem Haus den Kindergarten Nr. 16 unterhält. Die Zeitung TIMIŞOARA INTERNAŢIONAL hat im Februar 1994 den Standpunkt des deutschen Politikers veröffentlicht: "In einem adäquaten Gebäude könnten wir neue Schalter, Wirtschafts- und Kulturabteilungen eröffnen. Wir könnten unsere Aktivitäten viel mannigfaltiger gestalten und könnten viel mehr für diese Region tun."
Angesichts der 50.000 Menschen, die nur 1993 in Temeswar in der provisorischen Außenstelle der deutschen Botschaft wegen Visumproblemen vorsprachen, ist der Wunsch des Leiters dieser diplomatischen Niederlassung nach entsprechenden Räumlichkeiten verständlich. Verständnis darf man wegen den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Impulsen, die von einem funktionierenden Konsulat ausgehen, auch von allen am Konflikt beteiligten Institutionen erwarten. Bloß ... als der Stadtrat Temeswars Einsicht zeigte und per Stadtratsbeschluß dem Konsulat das Gebäude zuteilte, legte sich das Generalschulinspektorat quer und klagte. Während jetzt sogar die Bestätigung der Rechtmäßigkeit des Stadtratsbeschlusses von bereits zwei Instanzen vorliegt, schalten die Schulfunktionäre auf Stur und wollen durch einen neuen Prozeß die Räumung des Gebäudes verhindern. "Culmea culmilor" (als Spitze der Unvernunft zu verstehen) wird der kopfschüttelnde Rumäne sagen, der diesen Widerstand des Generalschulinspektorats wohl nicht nur darum für unverständlich halten wird, weil es in einer Großstadt wie Temeswar doch nicht unmöglich sein dürfte, einen Kindergarten in einem anderen Gebäude unterzubringen, sondern weil der unnachgiebige Leiter des Generalschulinspektorats kein anderer als Professor (in Rumänien kein Titel, sondern eine Berufsbezeichnung für den Lehrer) Ludwig Holzinger ist, also ein Deutscher. Als das Demokratische Forum der Deutschen im Banat am 31. Januar 1990 den Geschichtelehrer Ludwig Holzinger zum "Schulinspektor für die Belange der Deutschen" vorschlug, hatte es anscheinend nicht die glücklichste Hand. Der damals frischgebackene Inspektor - heute bereits Leiter des Generalschulinspektorats des Kreises Temesch  - meldete sich dann auch bald (NBZ vom 23. März 1990) in einer Sprache zu Wort, die den ideologischen Unterbau ähnlicher Stellungnahmen in der rumäniendeutschen Presse der 1970er Jahre noch erkennbar beinhaltete: "Die Bundesrepublik ist ein Rechtsstaat, sie schiebt keine Deutschen ab, sie muß sie alle anerkennen, wenn dort auch auf die vielen Zusiedler geschimpft wird, wenn diese auch als 'Ausländer deutscher Abstammung' angesehen werden. Das ist schwer zu verschmerzen. Ich könnte es nicht."
Da geht anscheinend in Temeswar eine Neuauflage der in der Geschichte schon öfter erwähnten deutschen Zwietracht über die Bühne, ein wahrlich unrühmliches Stück, auch wenn es sich hier um keine Angelegenheit von wirklich nationaler Bedeutung handelt. Aber man wird den Eindruck einfach nicht los, daß einer der Akteure sich ins verkehrte Stück verirrt hat. Wer wird wohl Recht behalten? Generalschulinspektor Ludwig Holzinger (Februar 1994): "Wir können dieses Gebäude nicht abtreten, weil wir es unbedingt benötigen. Ich widersetze mich dieser Lösung (des Stadtrates) und übernehme dafür die volle Verantwortung." Konsul Uwe Zorn (Dezember 1994): "Ich bin trotz allem optimistisch, daß wir es hoffentlich 1995 schaffen, den Mietvertrag mit der Stadt abzuschließen, um dann mit den Umbauarbeiten dort im neuen Gebäude für die Außenstelle zu beginnen."
Ob so oder so, einen faden Beigeschmack wird der Sekt bei der Eröffnung einer neuen Außenstelle der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland im Westen Rumäniens haben, unabhängig davon, ob das in der Begastadt oder in der Maroschstadt Arad, aus der bereits ein Angbot vorliegt, sein wird.
Mark Jahr

 aus DER DONAUSCHWABE, Aalen, 4./11. Juni 1995

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