"Wir sind jetzt
wieder ein Volk", rief die Präsidentin des Deutschen Bundestages Rita
Süssmuth am Pfingstsonntag den im Berliner Reichstagsgebäude versammelten
Delegierten der 10. Bundesversammlung zu, die angetreten waren, einen neuen
Bundespräsidenten zu wählen. Obwohl diese Wahl die Medienberichte der
Pfingstfeiertage beherrschte, hatte man doch den Eindruck, daß die Vertriebenen
und Aussiedler auch zu dem endlich geeinten Volk der Deutschen gehören. Trotz
des dominierenden innenpolitischen Ereignisses, haben einige Radio- und
Fernsehanstalten es nicht versäumt, über die traditionellen Pfingsttreffen der
Sudetendeutschen (Nürnberg), Siebenbürger Sachsen (Dinkelsbühl),
Bukowinadeutschen (Augsburg) und der Banater Schwaben (Ulm) zu berichten.
Da diese
Veranstaltungen alle im Süden Deutschlands abgehalten werden, wo auch die
meisten Mitglieder der betreffenden Landsmannschaften leben, ist es
selbstverständlich, daß die bayerischen und süddeutschen Rundfunk- und
Fernsehanstalten aus München und Stuttgart die detailliertesten Berichte sowohl
in Nachrichten- als auch in Informations- und Musiksendungen brachten.
Radiosendungen wie "Auf da bähmischen Grenz", Musikkultur zwischen Bayern und
Böhmen (BR 1); "Wos anne richt'ge Schläsierin is", Volksmusiksendung (BR 2);
"Ausflug oder Rückkehr? Eine Reise in die toten Egerlanddörfer" (BR 2) - alle am
Pfingstsonntag - und "Deutsche Geschichte im Osten Europas" (BR 2) sowie
"Pfingsttreffen der Heimatvertriebenen. Brücken von der alten zur neuen Heimat"
(BR 2), vom Pfingstmontag, lassen den hohen Stellenwert erkennen, den die
Vertriebenen und Spätaussiedler bei den Programmgestaltern des Bayerischen
Rundfunks einnehmen.
Besonders in
der letzten der aufgezählten Sendungen wurde ausführlich über die Heimattage
berichtet. Mit Worten, die versuchten, Einblick in das Seelenleben einer
Gemeinschaft zu gewähren, leitete der Sprecher der Sendung zur Reportage über
das Treffen der Banater Schwaben über: "Zum Schluß ein Blick nach Ulm zum
Heimattag der Banater Schwaben, die häufig als die Stillen im Lande gelten, aber
doch dem eher melancholischen Wort anhängen: 'Und geh'n wir noch soweit,
verschweigen und verleugnen kann uns keine Zeit.' Nikolai Dutsch hat sich
auf dem Heimattag der Banater Schwaben seine Gedanken gemacht." Der Reporter
vermittelte durch seine Tonaufnahmen heimatliche Atmosphäre. Weder Blasmusik
noch Kurzinterviews mit spontanen Antworten in (uns) vertrautem Dialekt durften
da fehlen. Dann kamen die Festredner zu Wort: Ivo Gönner
(Oberbürgermeister von Ulm), Bernd Schmidbauer (Staatsminister im
Bundeskanzleramt), Prof. Karl Singer (Vorsitzender des Demokratischen
Forums der Banater Deutschen) und Jakob Laub (Bundesvorsitzender der
Landsmannschaft der Banater Schwaben).
Der Berichterstatter
hatte als Schwerpunkt seines Sendebeitrages die Problematik "Bleiben oder gehen"
der noch im Banat ausharrenden deutschen Menschen gewählt. Eine Antwort konnte
keiner der Redner in der Donauhalle geben. Diese Entscheidung muß jeder für sich
allein treffen. Während es zur Zeit des Kommunismus relativ einfach war, den
Entschluss zum Gehen zu fassen, scheint die Entscheidung heute so manchem, auch
angesichts des materiellen und ideellen Engagements der Bundesregierung, einiger
deutscher Landesregierungen, vieler deutscher Hilfsorganisationen, zahlreicher
Privatpersonen und nicht zuletzt des Hilfswerks der Banater Schwaben, Probleme
zu bereiten.
Nikolai Dutsch,
der Reporter des Bayerischen Rundfunks, hat anscheinend die Gewissensprobleme
der "Noch-Banater" Deutschen erkannt. Er schloß seine Reportage mit der
Erkenntnis: "Kaum vorstellbar, daß es einmal eine Zeit gab, da Agenten von
Ceauşescus Gnaden von Angehörigen
aussiedlungswilliger Banater, in Deutschland Kopfgelder erpreßten.
Die Dinge ändern sich eben, auch bei den Banater
Schwaben."
Wie schwer es sein
kann, zu gehen, zurückzukehren um zu sterben oder um wieder zu gehen, zeigte
auch der Fernsehfilm "Fremde liebe Fremde"; BRD 1991; Regie: Jürgen
Bretzinger, den das Bayerische Fernsehen am 26. Mai 1994 ausgestrahlt hat.
Der Film schildert das Schicksal einer Aussiedlerfamilie aus dem Banat .
Um diese kurze,
natürlich bei weitem nicht vollständige Revue der Sendungen, die den
Vertriebenen und Aussiedlern an und nach den Pfingsttagen gewidmet waren, mit
einer uneingeschränkt positiven Nachricht abzuschließen, sei noch die Meldung
des Ulmer Radiosenders S4-Baden-Württemberg vom 25. Mai 1994, 16.30 Uhr,
vermerkt. Noch in diesem Herbst soll ein Stiftungsvertrag zur Einrichtung des
Donauschwabenmuseums in Ulm zwischen der Stadt Ulm, dem Land Baden-Württemberg
und dem Bund abgeschlossen werden. Immerhin geht es dabei nicht nur um ein
kulturelles Anliegen aller Deutschen, die Südosteuropa einmal ihre Heimat
nannten, oder auch heute noch nennen, sondern auch um stattliche 20 Millionen
Mark. Das stete kulturelle Wirken der Landsmannschaften in der deutschen
Öffentlichkeit scheint einer neuen Frucht zur Reife zu verhelfen. Ihr Gedeihen
legt eine beredtes Zeugnis von unserer steigenden Akzeptanz in der
bundesdeutschen Gesellschaft ab. Anträge à la SPD-Bundestagsfraktion (siehe BP,
Nr. 9, 5. Mai 1994) scheinen Ausnahmen zu bleiben, die diese Regel bestätigen.
Anton Potche
aus BANATER
POST, München, 20. Juni 1994
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