Dienstag, 16. Dezember 2014

Schwäbisches für den Bildschirm

Musik, Tanz und Humor in bunter Folge und gekonnt dargestellt
EL - Temeswar. Samstagabend trat vor dem überfüllten Opernsaal eine Auslese dessen auf, was die Banater schwäbische Laienkunstszene als Bestes zu bieten hat. Die Kulturgruppen waren zum Teil bekannt, zum Teil neu, stellten aber gleichermaßen die Erwartungen der Zuschauer wie auch der Fernsehredakteure zufrieden, die die Darbietung für eine spätere Sendung aufzeichneten.
Den seriösen Rahmen dieser vom Kreisrat der deutschen Bevölkerung und vom Jahrmarkter Kulturheim veranstalteten Show bildete auch diesmal wie beim ersten TV-Abend der Schubert-Chor und die Loris-Blaskapelle. Wer dem Jubiläumskonzert des Schubert-Chors beigewohnt hatte, kannte das Linster-Jungsche Heimatlied, die Chorlieder von Schumann und Schubert, die Programmpunkte der Singgruppe des Schubert-Chors, die auch diesmal unter der Leitung von Prof. Adrian Nucă-Bartzer in gepflegter Weise dargeboten wurden. Die feinfühlende Art, in der Walter Berberich seine Solo-Einlage bei Schuberts Am Meer gestaltet, ist uns ebenfalls schon vertraut.
Die Loris-Blaskapelle eröffnete ihr Programm bezeichnenderweise mit dem Gruß aus Jahrmarkt, einer Komposition des Orchestergründers Peter Loris, bot den virtuosen Parademarsch von Josef Ascher und ihre übrigen Programmpunkte unter der Stabführung von Prof. Matthias Loris mit der gewohnten Brillanz dar.
Einen guten Eindruck hinterließ die Marienfelder Tanzgruppe mit einer Suite von drei alten, heute kaum noch bekannten Tänzen: Sieweschritt, Schottische und Zwieback. An diesen Tänzen gefiel die Schlichtheit, die Einheitlichkeit, die mit der feierlichen alten Frauentracht im Einklang standen. Thomas Schön und Gheorghe Damian, die diese Tänze einstudiert haben, leisteten damit eine bemerkenswerte Kulturtat.
Die Mundartcollage des Lowriner Kulturheims unter dem Titel Loblied der Heimat war gattungs- und inhaltsmäßig eine Neuheit und eigentlich nur mit sich selbst vergleichbar. Die Lehrerinnen Margarete Lippet, Erika Burger und Anna Hügel brachten Angehörige dreier Generationen zusammen und ließen sie Mundartverse von Szimits bis Berwanger sprechen. Rudolf Schati, ehemaliger Schauspieler des Deutschen Staatstheaters, hatte dem lebenden Bild den letzten Schliff gegeben.
Herausragende Einzelleistungen waren die durchwegs selbst komponierten Folk-Gesänge der beiden Duos Ramona Nauy - Irmgard Holzinger (Lowrin) und Fred Zawadzki - Georg Gunesch (Temeswar) zu Texten von Rilke und Berwanger einschließlich des gekonnten Vortrags, sowie der originelle Einfall Helmuth Amons aus Deutschstamora ein Wesen, halb Frau, halb Mann auf Tanzbeinen humoristisch darzustellen. Robert Jereb vom Temeswarer Deutschen Staatstheater sprach das Gedicht Nikolaus Berwangers E Motter schreibt ihrem Bu. Als Kuriosum zu werten und durchaus interessant war Hans Pier aus Tomnatik mit La Paloma auf der singenden Säge, für viele gewiss die erste Life-Begegnung mit diesem alten und seltenen Instrument.
Der humoristische Teil mit Vetter Matz (alias Hans Kehrer) und Bäsl Kathi (alias Elisabeth Kölbl) drehte sich mal wieder um die thematisch unerschöpfliche Verulkung des schwäbischen Familienkrachs.
Als Einzelleistungen hervorgehoben seien noch die der, wenn auch dem Ensemble zugehörigen,  Vokalsolisten Erna Mathis, Annemarie Loris, Peter Pfeifer, Matthias Stefan, Hans Eichinger und Nikolaus Seibert, die zum Teil mit der Blaskapelle, zum Teil mit dem Loris-Unterhaltungsorchester auftraten. Ein Extra-Lob Matthias Loris für sein Trompeten-Solo. Die Ansage besorgten Adele Radin und Hans Kehrer mit Eleganz und Charme.
Wie bereits berichtet, soll im Herbst ein umfassenderer schwäbischer Abend in Szene gehen.
aus NEUE BANATER ZEITUNG / Temeswar, 17. Juli 1979

Dienstag, 9. Dezember 2014

Die Wogen haben sich längst geglättet

Jahrmarkter "Musikantenkrieg" - ein Stück Vergangenheit
 Banater Musikreminiszenzen
"Immer häufiger bewarben sich Besitzer von Vergnügungslokalen um die Kapelle Lanner, und Lanner suchte Rat zu schaffen. Er teilte sie in zwei Kapellen auf, die beide unter seinem Namen wirkten. Leiter der Parallel-Kapelle wurde Johann (Baptist Strauß, A.d.V.) Doch so groß wie früher war die Freundschaft nicht mehr. [...]  Strauß hatte begonnen, seine musikalischen Kenntnisse zu vervollkommnen. [...] Im Herbst des Jahres 1825 wurde sein Verlangen nach einer Trennung von Lanner dringlicher, und so sollte er am 1. September aus dessen Kapelle ausscheiden. [...] Angeblich hätten jetzt Auseinandersetzungen begonnen; es wurde kolportiert, daß es zwischen den Musikern Schlägereien gegeben habe."
Insider der verschiedensten Musikszenen wissen, daß dieser vom Strauß-Biographen Otto Schneidereit in seinem Buch Johann Strauß und die Stadt an der schönen blauen Donau geschilderte Sachverhalt keinesfalls als etwas Außergewöhnliches gewertet werden muß. Wie heißt es doch in dem Spruch: "Net jeder Zigeiner is e Musikant, awwer jeder Musikant is e Zigeiner." Es wäre falsch, diesen Satz aus rein materiellen Gesichtspunkten zu zitieren. Ohne die Wichtigkeit der Gagen zu minimalisieren, muß allerdings eingeräumt werden, daß es vielmehr der künstlerische Ehrgeiz ist, der so manchen Musiker zur individuellen Entfaltung drängt, um so seinen angestauten kreativen Potentialen neue Freiräume zu verschaffen. Die gewöhnlich Unter Donner und Blitz (Titel einer Schnellpolka von Johann Strauß - Sohn) ablaufenden Spaltungsprozesse von bekannten Musikkapellen führen aber meist zu Neugründungen, die die kulturelle Szene beleben und selbst der betroffenen Kapelle neuen Wind in die Segel blasen.
So geschah es auch in Jahrmarkt, 132 Jahre nach dem eingangs geschilderten Ereignis. Genau so wie die Trennung Lanner - Strauß (Vater) in Wien zu einem Gesellschaftsereignis besonderen Ranges hochstilisiert wurde, so entwickelte sich die Jahrmarkter Spaltung Loris - Kaszner zu einem wahren Wettrennen, das zwei Generationen lang dem Dorfleben in vielen auch musikentfernten Bereichen seinen Stempel aufdrückte. 
Die Loris-Kapelle im Jahre 1956 -
Hans Kaszner, in der Hocke, mit Bariton; 
Mathias Loris, stehend 3. v. l., mit Trompete
Im Jahre 1957 bestand die Loris-Kapelle bereits seit 49 Jahren, und sie hatte sich stets erfolgreich im Konkurrenzkampf mit den Kapellen Jauch, Kelter, Kreuter und Kern behauptet. Es war darum nicht zu erwarten, daß die neue Kapelle, die von einem der Leistungsträger der Loris-Kapelle, dem 30-jährigen Hans Kaszner, gegründet worden war, zu einem ernsten Konkurrenten heranwachsen würde. Hans Kaszner beschritt aber mit seinen Mannen neue Wege. Er gab der Orchestertanzmusik, in der das Akkordeon und der Gesang die Melodieführungen übernahmen, den Vorrang vor der traditionellen Blas- und Streichmusik. Hans Kaszner orchestrierte die neuesten deutschen Schlager, die über die Radios auch das Banat erreichten, und weil alles Neue schnell sowohl Befürworter als auch Verwerfer findet, blieb die Kapelle nicht nur im Gespräch, sondern auch im Geschäft. An Brisanz fehlte es der Trennung Loris - Kaszner schon darum nicht, weil die zwei Familien auch noch verwandt sind.
Hochzeit in Jahrmarkt, 1959 -
Michael Tritz, Trompete;
Nikolaus Jauch , Schlagzeug;
Hans Kaszner, Akkordeon;
Peter Tasch jun., Saxophon
 Sowohl Hans Kaszner als auch Mathias Loris (geb. 1927), der ab 1960 die Loris-Dynastie als vierter Kapellmeister fortführte, hatten aber bald erkannt, daß die Zukunft ihrer Kapellen wesentlich von quantitativ und qualitativ entsprechendem Nachwuchs abhängen werde. Beide Kapellen wuchsen, und mit ihnen kristallisierten sich die zwei Anhängerschaften zu wahren Musikparteien, deren Mitglieder (ohne Parteibuch) mit einem Engagement für die Sache ihrer Partei stritten, daß so mancher deutsche Politiker heute vor Neid ob soviel Zivilcourage erblassen würde. Die Sache, das waren Hochzeiten, Bälle, Kerweihfeste und sogar Begräbnisse. Die Folgen waren manchmal zerbrochene Wirtshausstühle, eingeschlagene Köpfe, zerstrittene Familien, vereitelte Ehen, ja sogar vorübergehende Festnahmen und Bußgelder.
Der Konkurrenzkampf eskalierte im Jahre 1971 zum landesweit bekannt gewordenen "Musikantenkrieg in Jahrmarkt". In einer Leserbrief-Serie der Tageszeitung NEUER WEG wurden zu diesem Thema sogar Zivilisationsschrittmacher wie Platon und Goethe bemüht, denen 'm Berwanger sei Niklos bereits in der PIPATSCH die an Shakespeare oder auch an Gottfried Keller angelehnte Erzählung Romeo, Julia un die Blechmusich vorausgeschickt hatte.
Die Söhne der beiden Kapellmeister, Mathias Loris jun., Hans Kaszner jun. und Helmut Kaszner, hatten die Berufsmusikerlaufbahn eingeschlagen, was beiden Kapellen in den siebziger Jahren zu großen Qualitätsfortschritten verhalf. Beide Kapellen bestritten in der Faschingszeit zweiteilige Konzertabende mit konzertanter Blasmusik und modischer Unterhaltungsmusik. Liest man heute in "alten" deutschen Zeitungen aus Rumänien Berichte über die Jahrmarkter Blasmusikkonzerte und stößt auf Namen wie Ludwig van Beethoven, Jacques Offenbach, Ciprian Porumbescu, Franz Lehar, Felix Mendelssohn-Bartholdy, John Philip Sousa, Karl Michael Ziehrer, aber auch Peter Loris, Peter Focht, Franz Stürmer u. a., so kann man sich ein Bild von den Niveaus dieser Konzertabende machen.
Im Jahre 1986 war dann alles vorbei. Während die Loris- und Kaszner-Kapellmeister längst in Deutschland lebten, ging in Jahrmarkt unter der Leitung von Martin Schütt der letzte "Musikantenball", wie die Jahrmarkter ihre Konzertabende nannten, über die Bühne. Martin Schütt über das Ende der bewegten Jahrmarkter Blasmusikgeschichte: "Wir hätten auch im 1987 noch ein Musikprogramm auf die Bühne gebracht. Die Funktionäre vom Comitet pentru Artă şi Cultură Socialistă aus Temeswar hatten uns aber zur Auflage gemacht, daß unser Aufführungsprogramm zu 70 Prozent aus rumänischen Kompositionen bestehen müsse. Dabei waren die Genossen noch so kulant, daß sie uns für das restliche Programm internationaler Musikliteratur auch deutsche Blasmusik- und Orchesterwerke genehmigten. Wir haben dann lieber ganz auf den Musikantenball verzichtet.
  Jahrmarkter Musikanten
beim HOG-Treffen in Reutlingen,1985
1. Reihe, links: Hans Kaszner jun. 
1. Reihe, rechts: Mathias Loris jun.
Heute leben in Jahrmarkt keine deutschen Musikanten mehr. Nur der Vetter Lasi, ein "waschechter Johrmarker vun rumänische Eltre", der schon in den 30er Jahren in der Loris-Kapelle die Trompete blies, spielt angeblich noch ab und zu auf dem Friedhof, wenn einer seiner Landsleute beerdigt wird. Was mag ihn wohl bewegen, wenn seine Totenlieder über die zubetonierten Gräber seiner deutschen "Landsleute" klingen?
Viele Jahrmarkter Musikanten spielen heute in Blaskapellen und Orchestern in Deutschland, und wenn sie sich zufällig oder auch absichtlich treffen, dann reden sie über Jahrmarkt und die Musik.
Anton Potche

(A. d. V.: Hans Kaszner spielte bereits im Herbst 1956 mit seiner eigenen Kapelle. Also muss man das Jahr 1956 als Gründungsjahr der Kaszner-Kapelle in Betracht ziehen. - Anton Potche, 09.12.2014)

aus BANATER POST, München, 20. April 1994

Dienstag, 2. Dezember 2014

Johrmarker Sprich un Sprichelcher - 51

Wann der beim eerschte Mol lieje e Kalb wär wor, wär er jetz schun e aldi Kuh.



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Gsammelt vum Frombach Franz 
alias Gerwer Franz  
(1929 - 1999)