Donnerstag, 24. April 2014

Gedanken zu einer Vernissage

Da steht nun ein Banater Schwabe vor dem ehrwürdigen Alten Rathaus in Nürnberg und liest das Veranstaltungsprogramm der 7. Kultur- und Heimattage seiner Landsleute in Bayern. Unter anderem - fast zu viel, um alles bewußt und kritisch aufnehmen zu können -  heißt es auch: 14 Uhr - Eröffnung der Ausstellung "Banater Künstler heute" in der Ehrenhalle im Alten Rathaus, durch die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages Renate Schmidt. Ungewöhnlich? Keineswegs. Nur sieht der oder auch die Leser/in plötzlich rot: Renate Schmidt, Vorsitzende der Bayern-SPD. Nein, alle Einzelheiten sind dem Programm nicht zu entnehmen. Aber man ist ja bereits mit geschärften Sinnen gegen alles Widerwärtige in dieses Land und nicht zuletzt in diese Stadt gekommen. Also betritt man mit gemischten Gefühlen die Ehrenhalle und vertieft sich erst mal in die Farben, Linien, Flächen, Gestalten, Plastiken, und läßt sich im Gemurmel der Anwesenden von Eindrücken berieseln.
Renate Schmidt
Irgendwann aber hält auch der letzte verträumte Betrachter zwischen den Stellwänden inne und lauscht der eben erklingenden Frauenstimme. Frau Renate Schmidt spricht. Wirklich gewählte Sätze. Für eine Spitzenpolitikerin nichts Außergewöhnliches. Aber diese Eindringlichkeit, diese ganz persönlichen Bezugspunkte zu den einstigen Deutschen in Rumänien und heutigen Aussiedlern in Deutschland lassen Pulse schneller schlagen. Da läuft einem ein angenehmer Schauer über den Rücken. Frau Schmidt wünscht sich Jugendliche in Trachten, wie sie die Banater Trachtengruppen in der Königstraße erlebt hat, und nicht in Uniform - sie meint wohl Leder und Kahlköpfe -, wie sie, wie wir sie allzu oft in letzter Zeit erleben mußten. Und dann wünscht sie sich diese Uniformierten doch herbei, hierher zwischen die Bilder von Banater Künstlern, weil sie fast prophetisch an die Brückenfunktion dieser Kunst glaubt. Die Macht der Kunst könnte gelegentlich für die Ohnmacht der Politik in die Bresche springen und den so nötigen Brückenkopf zu den schier Unverbesserlichen schlagen. Auch den im Alten Rathaus ausgestellten Werken der Künstler, die zum Teil Heimat aufgegeben haben, um Heimat zu finden, traut Renate Schmidt (Foto) das zu. Diese Worte klingen ehrlich. Sie passen zu den Bildern und Menschen dieser Vernissage. Alle fühlen das.
Unserem Banater Schwaben gehen noch am späten Abend des 19. Juni 1993 die Worte dieser Frau durch den Kopf. Er ist irgendwo auf der Autobahn und denkt an das rasante Tempo unserer Zeit. Gestern Gegenwart, heute bereits Geschichte. Gestern Beklemmung zeugende Lafontaine-Sprüche, heute eine bemerkenswerte Rede Renate Schmidts. SPD: rot bleibt rot. Das können wir wohl nie schwarz sehen, aber gerade SPD-Persönlichkeiten können durch ihr öffentlich kund getanes, von Wissen und Verständnis zeugendes Denken so manche beklemmende Vorurteile abschwächen und zu Erkenntnissen führen, die durchaus auch dazu angetan sein könnten, Zukunftsängste aus unserem tiefsten Innern zu verdrängen.
Die Worte der bayerischen SPD-Vorsitzenden und Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages Renate Schmidt beinhalten die Kraft, uns Querschlägereien von Parteikollegen (zumindest bis zum nächsten Wahljahr) vergessen zu lassen.
Anton Potche
aus BANATER POST, München, 10. Juli 1993

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