Dienstag, 29. April 2014

Blitzsauberes Jahrmarkt

Die Großgemeinde vor Temeswar bereitet sich auf die Kerwei vor
von Walter Jass
Im Sonnenschein glänzt und strahlt Jahrmarkt noch mehr: Die Gemeinde, von der man so gerne sagt, dass sie "vor den Toren Temeswars" liegt, ist blitzblank, sauber, gepflegt und es ist eine Freude, hier spazieren zu gehen oder mit dem Wagen auf der guten Straße zu fahren, die sie durchzieht und hineinführt in die Banater Hecke. Sauberkeit in Banater Dörfern - das ist ja keine Seltenheit, aber Jahrmarkt scheint diesbezüglich doch einiges vor den anderen haben zu wollen.
Warum und wieso? Kulturheimdirektor Prof. Hans Speck erklärt das so: "Einmal sauber machen im Jahr ist in Jahrmarkt keinmal sauber machen im Jahr. Wir machen es gleich dreimal: im Frühjahr, zur Kerwei, die in Jahrmarkt zeitiger als anderswo gefeiert wird, und zwar Anfang Juni, und dann im Herbst."
"Net gut for nufschaue ..."
Auch wenn da ein bisschen Lokalpatriotismus mitspricht, weil dieses dreifache Reinemachen auch in anderen Banater Dörfern nach wie vor gepflegt wird, ist Jahrmarkt doch eine Ausnahme, weil durch die Kerwei Anfang Juni das Jahr in fast gleich lange Spannen aufgeteilt wird. Die Gemeinde sieht so während des ganzen Jahres wie aus der Schachtel aus.
Das ist auch jetzt so. Die Jahrmarkter beginnen jetzt wieder mit den Arbeiten. "Worauf gibt der Schwob viel bei diesen Arbeiten?" meint Prof. Speck. "Auf das Haus 'frisch streiche', und dann ist das 'Torstreiche' eine Jahrmarkter Spezialität. Wenn man ein Haustor zersägen würde, könnte man nach den Farbschichten sein Alter bestimmen, ähnlich wie bei den Jahresringen eines Baums."
Für die Farbe wird vorgesorgt. In den Wochen vor der Kerwei findet man in der Konsumgenossenschaft der Großgemeinde täglich bis zu 20 Frauen, die hier Farbe kaufen wollen. Ob es nun ein Holztor oder - moderner schon - ein Eisentor ist, die Farbe darf nur hellgrün sein. "Nicht so grasgrün oder dunkelgrün, wie man es manchmal in anderen Gemeinden findet." Und das trägt auch zum Eindruck des Blitzsauberen bei: das Hellgrün der Tore, der weiße Verputz der Häuser und die hellgelbe Farbe der Haus- und Giebelverzierungen.
Das "frisch streiche" ist eine Sache der Frauen. "Das mache nur die Weiber", heißt es. Aber nicht ausschließlich: Der Giebel, den zu streichen oder zu weißeln, man auf die "hohe Leiter" steigen muss, wird von den Männern in Ordnung gebracht, nach alter "Sitte un Gebraich", wie es Vetter Sepp Wendling sagt, der im April 85 Jahre alt wurde. Und er begründet es auch: "Es is net gut for nufschaue, wenn do des Weib uf der Leiter steht". Die Frau tut unten nur den "Pensel tunke", dann reicht sie ihn (den Pinsel) hinauf.
"Vor allem diejenigen, die mit der Kerwei etwas zu tun haben, sind jetzt in Schwung. Obwohl es in Jahrmarkt 25 - 30 Zimmermaler gibt, ist es jetzt eine Kunst, einen zu finden, nicht für die Außenarbeiten am Haus, also das "Streiche", sondern für das "Ausmole", das Malen. Auch wenn nicht die ganze Wohnung gemalt wird, muss zumindest die Veranda oder der Gang wie neu aussehen.
Niemand will zurückstehen
Es gibt mehrere Gründe dafür: Erstens ist das Malen weniger für die Kerweigäste bestimmt als für die "Kerweibuwe", die in die Häuser kommen, wo es Mädel gibt, "große Mädle", wie man das schwäbisch sagt. Und dann, erklärt Kulturheimdirektor Speck, "han die Johrmarker Geld". Da will niemand zurückstehen, das soll man am Haus sehen, denn sonst "lache uns die Nochperschleit aus". Die Angst davor ist manchmal der Hauptgrund für all die Anstrengungen. Schließlich gibt es noch den in den letzten Jahren ständig zunehmenden Umbau oder Neubau der Häuserfronten. Dabei gibt es, wie man im Dorf sagt, eine Konkurrenz wie zwischen den zwei Blaskapellen der Ortschaft. Bei diesen Instandhaltungs- oder Umbauarbeiten machen in der Bauleute- und Zimmermalergemeinde Jahrmarkt meist 5 - 6 Freunde oder Bekannte mit. "Es geht scheen zu", sagt man, und das bedeutet im Banat, dass Gaumen und Kehle nicht zu kurz kommen.
"Scheen zu" geht es auch, wenn die Kerweijugend den Gemeindepark am Prinz-Eugen-Brunnen pflegt, die Bäume, meist Kugelakazien, schneidet, die Stämme weißt, die Wege instand setzt. Jeder aus der Kerweijugend macht da mit, "die hab ich fest in der Hand", sagt Prof. Hans Speck. Zur Kerwei, die bald stattfindet, dürfte das wieder der Fall sein.
Man erwartet 45 - 50 Paare, wie auch in den letzten Jahren. Sie werden heuer auf einer betonierten Fläche im Kulturheimhof einmarschieren. Die Betonierung des Hofs gehört, wie der Stellvertretende Bürgermeister Josef Wagner mitteilt, zu einer großen Reihe von kommunalwirtschaftlichen Vorhaben, die im Laufe dieses Jahres in Jahrmarkt durchgeführt werden sollen. Zwei Tiefbrunnen werden gebohrt, das Leitungsnetz um 1,5 km erweitert, eine Freilichtbühne und ein Sommerkino sollen errichtet werden.

aus NEUER WEG, Bukarest, 25. Mai 1979

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