Donnerstag, 13. März 2014

Lauschen, staunen, verstehen

 Die Musikanten hatten schon ihre Instrumente an den Lippen, da winkte der Kapellmeister, mit einer halben Drehung zur Tanzfläche, wieder ab, und die Bläser der Bayern-Kapelle waren ihrem Chef sichtlich dankbar, drang doch eine in Text und Melodie unbekannte Volksweise zu ihnen auf die Bühne. In der Saalmitte hatte sich während einer Tanzpause spontan ein Kreis von Männern und Frauen gebildet, die sich Arm in Arm oder Arm um Schulter, eng beieinander, wie ein im Winde wehender Kranz, ganz sachte, im getragenen Rhythmus des etwas wehmütig klingenden Liedes hin- und herwiegten. Was die Musikanten der Bayern-Kapelle des Hans Gabler an jenem Abend des 4. Juli 1992 so beeindruckte, waren uralte Volksweisen aus Wolfsberg, die die einstigen Wolfsberger und heutigen Traunreuter, Neutraublinger, Singener und Bürger anderer deutschen Städte auf ihrem Sommernachtsfest in Barbing/Regensburg zum Besten gaben.
Dieser geschlossene Kreis aneinandergedrängter Leiber und die Schwere, die diese gesungenen Melodien ausstrahlten, ließen die eher nüchtern empfindenden Musikanten die Ergriffenheit verstehen, von der die singende Gemeinschaft - auch viele von den an den Tischen Sitzenden sangen mit - erfaßt war. Hier gedachten Menschen ihrer für immer verlassenen Heimat und, wie Johann Sutter - der mit seiner Frau Marianne dieses Wolfsberger Sommernachtsfest organisiert hatte - vermerkte, auch der etwa 15 deutschen Familien, die noch in Wolfsberg ausharren und zu deren materiellen Unterstützung man bei diesem Treffen über konkrete Maßnahmen sprach.
Sicher war es ein Fest wie alle Treffen unserer Landsleute, zu dem ein Festgottesdienst - hier von Pfarrer Rabel aus Neutraubling zelebriert - und Begrüßungsansprachen genauso gehörten wie die von Wiedersehensfreuden geprägte Geselligkeit. Sollte es etwas anders gewesen sein, dann konnte es nur das gegenseitige Verständnis zwischen bayerisch aufspielenden Musikanten und Zeppelpolka tanzenden Menschen aus dem fernen, von uns allen so liebgewonnenen Banater Bergland sein.      
                                                                                                         Anton Potche

aus BANATER POST, München, 20. September 1992

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